Amtliche Meldung

Glasfaserausbau

Liebe Bürgerinnen und Bürger in Weilheim, Kilchberg, Bühl und Hirschau!
So wie es derzeit aussieht, wird der geplante Glasfaserausbau in Ihren Ortschaften abgebrochen. Für einen wirtschaftlichen Ausbau benötigt der Anbieter Deutsche Glasfaser eine Anschlussquote von mindestens 33%. Erreicht sind bisher 20%. Die Deutsche Glasfaser hat mich daher um Unterstützung gebeten.
Ich habe mir lange überlegt, ob ein solches Schreiben richtig ist. Wenn ein privater Anbieter am Markt nicht die erhoffte Nachfrage findet, ist das erstmal sein Problem und keines der Stadt. Es ist auch nicht meine Aufgabe, die konkrete Vertragsgestaltung zu bewerten. Und einen bestimmten Anbieter zu begünstigen, ist sogar ausdrücklich verboten.
Auf der anderen Seite stellt Glasfaser eine wichtige Infrastruktur dar, die von der Stadt nicht hergestellt werden kann. Ich habe mich deshalb dafür entschieden, Ihnen mit diesem Brief meine Sicht auf den Glasfaserausbau in Tübingen darzustellen. Ich würde mich freuen, wenn diese Überlegungen in Ihre
Entscheidung einfließen könnten.
In Tübingen ist die Versorgung mit herkömmlichen Kupferkabeln in den meisten Stadtgebieten bis an das technisch mögliche Maximum ausgebaut. Aus diesem Grund haben die meisten Privathaushalte derzeit gar keinen Bedarf an schnellerem Internet. Wir reden hier also über eine Entscheidung, die auf Annahmen über die Zukunft beruht. Eine dieser Annahmen ist, dass Glasfaserausbau in Ihren Ortschaften jetzt oder nie mehr möglich ist. Das glaube ich nicht. Scheitert der Ausbau jetzt, ist das für einige Jahre entschieden, aber nicht für alle Zeiten. Umgekehrt ist klar: Wenn der Glasfaserausbau kommt und der Hausanschluss dann nicht gelegt wird, ist ein späterer Einzelanschluss um ein Vielfaches teurer. Wer nicht mitmacht, wenn gebaut wird, zahlt später drauf.
Die Annahme, dass Glasfaser die Zukunft ist, scheint mir sehr gut begründet. Die Vorteile der Glasfaser sind so groß, dass diese sich auf Dauer durchsetzen muss. Neben der stabilen und vielfach höheren Bandbreite ist dies auch eine Energieeinsparung im Betrieb von bis zu 90%. Auf solche Fortschritte können wir nicht verzichten. Viele Länder in Europa sind mit dem Glasfaserausbau schon weit vorangeschritten, manche haben Anschlussquoten von 90% erreicht. Deutschland ist mit einer Quote von 10% Schlusslicht. Das wird so nicht bleiben.
Bleibt der Bedarf. Die Entwicklung der Technologie hat seit Jahrzehnten zu einem stetigen Anstieg des Datenverkehrs geführt, der sich in jüngerer Zeit sogar beschleunigt hat. Das Tor zur Welt der KI wird gerade erst aufgestoßen, die Energiewende kann nur gelingen, wenn die Gebäudetechnik intelligent steuerbar wird, Homeoffice wird sich weiter ausbreiten und immer mehr Bandbreite erfordern. Auch wenn wir es heute nicht spüren, ist ein Kupferkabel schon im nächsten Jahrzehnt den absehbaren Anforderungen nicht mehr gewachsen.
Daraus folgt für mich: Ein Glasfaseranschluss wird im nächsten Jahrzehnt von fast allen Haushalten benötigt. Er ist Infrastruktur wie Wasser- oder Stromanschluss. Gibt es keine Glasfaser im Ort, führt das zur Entwertung der Immobilen. Umgekehrt ist ein Anschluss an die Glasfaser jetzt langfristig die ökonomisch richtige Entscheidung. Ich persönlich würde daher das Angebot annehmen, jetzt einen Glasfaseranschluss in mein Haus zu legen, wenn ich in einer Ihrer Ortschaften wohnen würde.
Boris Palmer, Oberbürgermeister

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